Bewegungen und Schmerzen verstehen

Personal Training

Ich werde immer wieder gefragt: Was kann ich gegen meine Schmerzen machen? Es ist ein Dauerthema: Schmerzen – und was kann ich dagegen tun?

Meine Antwort ist: Viel!

Als erstes erkläre ich immer folgendes Konzept: Schmerz entsteht im Gehirn!
Es ist ein Output von unserem Gehirn und Zentralen Nervensystem, um unseren Körper und uns selber zu schützen.

Wir müssen also erst einmal Schmerzen verstehen und diese als eine normale Reaktion unseres Körpers begreifen, weil dieser sich bedroht fühlt. Es ist quasi unser eigenes integriertes Alarmsystem, das wir ernst nehmen sollten.

Die Schmerzintensität und deren Empfindung steht nicht unbedingt im Verhältnis dazu, ob ein Gewebeschaden vorliegt oder nicht. Ein Großteil meiner Kunden, die beispielsweise mit Rückenschmerzen zu mir kommen, haben keinen vorliegenden Gewebeschaden. Viele Rückenschmerzen sind auf eine zu hohe Muskelspannung zurück zu führen – eine Schutzspannung, um den Körper vor vermeintlich bedrohlichen Bewegungen zu schützen.

Es ist ganz unterschiedlich, wie man die Schmerzen wahrnimmt. Manche leiden schon bei kleinen Verspannungen, andere realisieren die Schmerzen erst, wenn bereits Muskelverhärtungen und sehr starke Verspannungen vorliegen. Das Schmerzempfinden ist nämlich abhängig von diversen und gleichzeitig stattfinden sensorischen und emotionalen Signalverarbeitungen im Gehirn.

Manch einer hat es vielleicht schon selber erlebt, dass eine Verletzung im einen Moment extrem schmerzhaft ist, beispielsweise wenn man zur Ruhe kommt und in anderen Momenten, wenn man abgelenkt und sich gut unterhalten fühlt, die Schmerzen auf einmal zumindest kurz weg zu sein scheinen. Die Spannung oder der Gewebeschaden, die Verletzung ist ja aber noch da – nur die Wahrnehmung hat sich also verändert. Diese Tatsache kann man sich also selber zu nutzen machen.

Schmerz entsteht nicht in einem speziellen Schmerzzentrum im Gehirn, wie lange Zeit vermutet wurde. Schmerz entsteht aus Zusammenspiel von 12 unterschiedlichen Gehirnarealen. Diese Gehirnareale reagieren wiederum bei jeder Person individuell. Daher kann man nicht ein Schema F im Training anwenden uns sagen, jeder Kunde mit Rückenschmerzen sollte Übung XYZ machen.

Das Gehirn und das Zentrale Nervensystem sind hoch sensibel, ultraspezialisiert und individuell. Jeder Mensch reagiert auf externe Reize anders und selbst die gleiche Person reagiert auf den gleichen Reiz zu unterschiedlichen Tageszeiten, Wochentagen oder Gemütslagen anders. Das macht es für mich als Trainerin so spannend, mich bei jeder Session wieder aufs neue auf die Kunden einzustellen und sie in ihrer jeweiligen Lebenssituation abzuholen.

Was kann man also gezielt machen bei Schmerzen?

Um dir das zu verdeutlichen, stell dir einen Eimer vor – ich nenne ihn Gefahreneimer. Dieser Eimer wird gefüllt mit diversen äußeren Einflussfaktoren. Das können zum Beispiel folgende Punkte sein: Schlaf, Ernährung, soziales Umfeld, familiäre Situation, berufliches Umfeld, Bildung, Atmung,  Schmerzerfahrungen aus der Vergangenheit, Bewegung und Bewegungsqualität, Stress, Verletzungen, Lebenseinstellung, Umweltfaktoren wie Wetter, Lärm, Licht usw. Der Körper ist in der Lage, ziemlich lange all diese Faktoren auszugleichen. Man staunt ja selber oftmals, wie viel man in bestimmten Zeiten schafft und aushalten kann.

All das sammelt sich also in diesem Gefahreneimer und wenn der Eimer voll ist, ist ein Level an Stress und Gefahr erreicht, dass unser Gehirn entscheidet, unseren Körper zu schützen. Und das effektivste Mittel, um das zu erreichen, ist Schmerz. Denn durch Schmerz wird uns bewusst, dass etwas außer Balance geraten ist - dass unser Körper und unser Leben in einer für ihn gefährlichen Situation ist. Das muss nicht immer eine schwere Verletzung sein. Wenn man sich das Bein bricht, sagt einem der Schmerz, das gebrochene Bein braucht Ruhe um zu heilen und sollte nicht belastet werden, das selbe bei einer Zerrung oder Prellung. Hier liegen Gewebeschäden vor.

Die meisten Schmerzen kommen aber tatsächlich daher, dass viele Faktoren, die den Gefahreneimer füllen, nicht ausreichend oder in guter Qualität vorhanden sind. Um hier ein paar Beispiele zu nennen: Schlechter Schlaf oder ungenügend Schlaf nimmt dem Körper die Zeit, sich zu regenerieren und Auf-, Um- und Abbauprozesse können nicht ausreichend ablaufen. Eine einseitige Ernährung versorgt den Körper nicht mit den nötigen Nährstoffen. Eine belastende familiäre Situation oder Probleme auf der Arbeit belasten den Körper und erhöhen das Stresslevel.

Eingefahrene Sichtweisen erlauben es oft nicht, sich mit dem Schmerzkonzept auseinander zu setzen und die eigene Lebensweise kritisch zu reflektieren. Ungenügende Bewegung und viel Sitzen suggeriert dem Gehirn, dass Muskeln und Faszien und Bänder nicht belastet werden müssen.
Wenn dann aber eben doch eine Belastung kommt, eine schnelle Drehung, ein tiefes Bücken, das Heben einer Kiste – dann ist das Gehirn daran nicht mehr gewohnt und sieht dies als Bedrohung an.

Das Gute ist, dass Schmerz multifaktoriell ist und nicht nur durch eine Veränderung behandelt werden kann. All die Faktoren, die den Gefahreneimer über Wochen, Monate und oftmals Jahre gefüllt haben, sind also auch der Schlüssel zur Lösung des Problems.

Ganz wichtig ist: Man kann und soll nicht alle Faktoren auf einmal verändern. Das ist unnötig und unrealistisch. Aber jeder kann für sich selber überlegen, an welchen Punkten er anfangen möchte zu arbeiten. Und dann fängt man an mit kleinen Zielen. Man muss nicht gleich eine radikale Ernährungsumstellung  beginnen.

  • Wie wäre es zum Beispiel damit, einmal die Woche das übliche Frühstück gegen eine gesündere Variante auszutauschen? Oder einmal die Woche bewusst auf künstliche Nahrungsmittel und Zusatzstoffe zu verzichten? Wenn man selber erstmals merkt, wie gut einem das tut, kommt die Veränderung von ganz alleine.
  • Wie wäre es damit, einmal die Woche zum Sport zu gehen oder einen Spaziergang zu machen? Es muss nicht die Anmeldung zum Marathon oder zum Wettkampf sein, es reicht auch hier, anzufangen und sich ein realistisches Ziel zu setzen und zu beginnen:

  • Wie wäre es zum Beispiel, wenn du darauf achtest, deine Schlafqualität zu verbessern. Plane ein, mindestens 8 Stunden pro Nacht zu schlafen und lege abends das Handy weg. Konzentriere dich darauf, vor dem Schlafen eine angenehme Stimmung zu schaffen und deinen Körper auf die Ruhe und Regeneration vorzubereiten.

  • Wie wäre es damit, zwei Minuten am Tag auf deine Atmung zu achten. Nimm ein paar tiefe Atemzüge. Atme ganz bewusst und versuche, in den Bauch, die Rippenbögen und den Brustkorb zu atmen – nacheinander.

Wichtig ist es, sich realistische Ziele zu setzen und diese auch zu terminieren. Nur, was im Kalender oder auf der To-Do Liste steht, setzt du am Ende auch um.

Und dann kommt vielleicht der schwierigste aller Punkte: Einfach machen! Einfach mal anfangen!
Viele kommen vor lauter Plänen, To-Do Listen, Ideen und Erwartungen gar nicht mehr dazu, all das  umzusetzen, was sie sich vornehmen. Es muss nicht gleich perfekt sein. Aber du musst anfangen, etwas zu verändern.

Was du also direkt umsetzen kannst:

  1. Analysiere deinen Gefahreneimer. Was sind Faktoren, die du beeinflussen kannst?
  2. Setze dir kleine realistische Ziele und terminiere sie!
  3. Fang an, und zwar heute! Egal ob ein kurzer Spaziergang, ein paar tiefe Atemzüge oder ein gesundes Abendessen. Fang an und werde aktiv.


Falls dich dieses Thema beschäftigt und du dich damit detaillierter auseinandersetzen möchtest, nimm gerne Kontakt zu mir auf.

Über Rückmeldungen freue ich mich.

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